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Diversity-Steckbrief: Nina Schmidt

Dr. Nina Schmidt

Freie Universität Berlin

Bild © Panchulei

Wie bist du in der Comicforschung gelandet und was interessiert dich an Comics besonders?

In der Comicforschung gelandet bin ich über einen thematischen Zugang, genauer über ‚meine‘ Themen Krankheit und Behinderung und deren Darstellung, speziell der Darstellung auto/biografischer Narrative in Literatur und Kultur. Ich war noch nicht ganz fertig mit der Arbeit an meiner Promotion, saß noch im schönen Sheffield in Nordengland, als ich die Stellenanzeige für meine spätere Postdoc-Stelle an der FU Berlin sah und dachte, oh Gott, das wäre perfekt. Ich hatte schon zuvor damit geliebäugelt, im Rahmen der Promotion auch einen Comic zu analysieren – meine Liebe zum Medium wurde ursprünglich von Simon Dickel in einem BA-Seminar am Englischen Seminar der WWU Münster entfacht, in dem er mir und meinen Kommiliton*innen Klassiker wie Maus, Fun Home, Stuck Rubber Baby u. a. näherbrachte –, ich habe es dann aber unter anderem der Handhabbarkeit wegen gelassen und bin recht textbasiert geblieben. Es gab zu dem Zeitpunkt auch einfach wenig deutschsprachige Comics, die das Leben mit Krankheit und/ oder Behinderung thematisiert haben. Und ich schrieb ja schließlich an einer germanistischen Promotion. Die Einbindung angloamerikanischer Beispiele hätte die Ausrichtung meiner Arbeit zu sehr verändert.

Was hat deine Forschung mit Diversity zu tun?

Ich denke das liegt auf der Hand in meinem Fall. Krankheit und Behinderung auch als Identitätskategorie zu betrachten, so wie es die Disability Studies machen, das war zu Beginn meiner Promotion (2012) wirklich nicht gängig in der Germanistik. Ich habe lange nach Verbündeten gesucht in meinem Fach und eigentlich erst als Postdoktorandin ein paar mehr gefunden. Ich weiß noch, wie ich die ersten Jahre auf Konferenzen häufig an den Anfang oder das Ende eines ersten oder letzten Panels einer Tagung ‚geklebt‘ wurde, weil die Organisator*innen oft nicht wussten wohin mit mir. Gleichzeitig wurde mir in Großbritannien signalisiert, wie wichtig die Bearbeitung des Themenfeldes ist. Das hat immer wieder Mut gemacht. Und auch persönliche Gespräche haben sich auf der Basis meiner Forschung immer wieder ergeben.

Woran arbeitest du aktuell?

Ich bin nicht mehr in der Forschung aktiv, habe aber letztes Jahr vor Antritt meiner ersten Vollzeitstelle außerhalb von Academia fast alles geschafft abzuwickeln, was mir inhaltlich noch am Herzen lag. Jetzt im Juni kommt beispielsweise noch ein Sammelband bei Camden House heraus, den ich als anonyme Peer-Reviewerin ein Stück weit begleitet und beeinflusst habe. Darauf freue ich mich schon. Er trägt den Titel „Disability in German-Speaking Europe. History, Memory, Culture“ und wurde von drei US-amerikanischen Kolleg*innen herausgegeben. Gleichzeitig wird mein Buch „The Wounded Self“ (meine Doktorarbeit) als Taschenbuch erscheinen und damit deutlich erschwinglicher werden als vorher. Das ist ein gutes Gefühl.

Was machst du, wenn du nicht über Comics forschst?

Ich arbeite mich aktuell in die Welt der Forschungsförderung ein. Seit November 2021 bin ich Projektmanagerin für Wissenschaftsförderung und Open Science bei der Stiftung Charité. Das ist ein ganz anderes Arbeiten als vorher, aber es ist auch anschlussfähig: Als ehemals selbst im Wissenschaftsbetrieb Tätige verstehe ich gut, was die Hürden für Forschende sind, sich am Kulturwandel hin zu Open Science zu beteiligen[1] – gleichzeitig weiß ich, dass wir wissenschaftliche Ideale teilen und glaube fest daran, dass sich mit den richtigen Weichenstellungen u. a. von Förderseite Open Science langfristig durchsetzen wird.

Freizeit habe ich gefühlt viel zu wenig, verbringe dieser aber nach Möglichkeit mit Freund*innen auf der Couch, im Kino, bei Lesungen oder auf dem Tempelhofer Feld. Und statt in die weite Welt zieht es mich immer noch häufig zurück nach Großbritannien!


[1] Teils hapert’s am Finanziellen, teils widerspricht das Anreizsystem der wissenschaftlichen Leistungsbewertung einem zeit- und ressourcenintensiven Engagement in den Bereichen Wissenschaftskommunikation, Public Engagement oder Citizen Science noch deutlich.