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Diversity-Steckbrief: Véronique Sina

Véronique Sina

Véronique Sina

Goethe-Universität Frankfurt

Wie bist du in der Comicforschung gelandet und was interessiert dich an Comics besonders?

Das erste Mal habe ich mich in einem Seminar zu jüdisch-amerikanischer Kultur und Literatur im Rahmen meines Bachelor-Studiums an der Ruhr-Universität Bochum wissenschaftlich mit Comics beschäftigt. Da stand nämlich u.a. Art Spiegelmans großartiger Comic MAUS auf dem Lehrplan. Als es dann später um die Wahl des Themas meiner Masterarbeit ging, schlug meine damalige Erstgutachterin und spätere Doktormutter vor, ich könne mich ja mit der Comicverfilmung SIN CITY beschäftigen, die zu dem Zeitpunkt noch relativ neu war. Das habe ich dann auch sehr gerne getan. Meine Masterarbeit war noch vornehmlich filmwissenschaftlich ausgerichtet, aber immerhin gab es ein kurzes Kapitel zum Thema „Die sequenzielle Kunst“, in dem ich mich mit den formal-ästhetischen Mitteln des Comics und auch mit der Repräsentation von Gender auseinandergesetzt habe.
So richtig ausführlich in die Comicforschung eingestiegen bin ich 2007 mit Beginn meines Promotionsprojektes zu „Comic – Film – Gender. Zur (Re-)Medialisierung von Geschlecht im Comicfilm“. Ein paar Jahre später – das war 2012 – kam mir dann die Idee, innerhalb der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM) die AG Comicforschung zu gründen, da es damals keine Comic-Netzwerke bzw. -Institutionen in der deutschen Academia gab, in denen ich mich als Wissenschaftlerin* mit Forschungsschwerpunkt in den Gender Media Studies gut aufgehoben gefühlt habe. Mir fehlte ein Raum, in dem ich mich mit Kolleg*innen in entspannter und zugleich professioneller Atmosphäre austauschen und innovative, interdisziplinäre Projekte rund um das Thema „Comics“ realisieren konnte. Mit der AG Comicforschung gibt es diesen Raum jetzt und ich bin sehr froh, ihn die letzten knapp 10 Jahre als AG-Sprecherin aktiv mitgestaltet zu haben!
Besonders interessiert mich am Comic seine spezifische Medialität und Ästhetik. Mich faszinieren Comics, die mit den Mitteln des Mediums spielen und sich selbst und ihre Medialität reflektieren. Demensprechend beschäftige ich mich im Rahmen meiner Forschung zu Comics auch immer wieder mit Fragen der Medialität, Selbstreflexivität und der Ästhetik des Gemachten.

Was hat deine Forschung mit Diversity zu tun?

In meiner Forschung beschäftige ich mich intensiv mit Fragen der Gender Media Studies, der Queer Studies und der Intersektionalitätsforschung. Ganz aktuell vertrete ich im Sommersemester 2022 am Institut für Medienwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum die Professur für „Medienöffentlichkeit und Medienakteure unter besonderer Berücksichtigung von Gender“. Im Rahmen der Professur habe ich im laufenden Semester nicht nur geforscht, sondern natürlich auch viel unterrichtet und etliche Haus- und Abschlussarbeiten betreut, die sich u.a. mit kritischer Diversitäts- und Intersektionalitätsforschung auseinandergesetzt haben. Zudem habe ich im Sommersemester auch ein Seminar zu meinem aktuellen DFG-Forschungsprojekt „Queering Jewishness – Jewish Queerness. Diskursive Inszenierungen von Geschlecht und ‚jüdischer Identität in (audio-)visuellen Medien“ unterrichtet, das ich ab Oktober am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt leiten werde. Das Projekt setzt sich mit verschiedenen Formen künstlerisch-medialer Repräsentation(en) ‚des Jüdischen‘ auseinander und fokussiert dabei das problematische Verhältnis zwischen Aufklärung, Sichtbarmachung und Ausstellen geschlechtlich codierter jüdischer Identität(en) in medialen Gefügen. Anhand ausgewählter filmischer, televisueller und grafischer Bilder ‚des Jüdischen‘ wird die vielfältige Verbindung zwischen Jewishness und Queerness thematisiert und die Beständigkeit, Virulenz sowie Aktualität antisemitischer Zerrbilder, die bis heute in populären Medien zirkulieren, verdeutlicht.

Woran arbeitest du aktuell?

Ganz aktuell gebe ich gerade zwei Sammelbände heraus, die sich rund um das Thema Comicforschung drehen. Gemeinsam mit Kalina Kupczynska und Barbara M. Eggert haben wir jüngst das Manuskript für einen Band zum Thema „Comics und Familie“ fertiggestellt. Parallel zu dieser geplanten Publikation stecke ich gerade mitten im Redaktionsprozess zu dem Tagungsband „Comics & Intersektionalität“, der auf das internationale Symposium „Race, Class, Gender & Beyond – intersektionale Ansätze der Comicforschung“ zurück geht, das ich gemeinsam mit Anna Beckmann, Marie Schröer und Kalina Kupczynska im Oktober 2021 auf Schloss Herrenhausen in Hannover veranstaltet habe. Das Symposium wurde von der VolswagenStiftung gefördert und war wirklich toll! Ich freue mich schon sehr auf die Publikation ausgewählter Konferenzbeiträge und darauf, dass wir bald den bis dato ersten Sammelband mit Fokus auf Intersektionalitäts- und Comicforschung herausgeben werden!
Beide Bände erscheinen in der neu gegründeten interdisziplinären Publikationsreihe „Comicstudien“, die ich gemeinsam mit Juliane Blank und Irmela Krüger-Fürhoff im de Gruyter Verlag herausgebe. Die „Comicstudien“-Reihe ist also ein weiteres aktuelles Projekt von mir, das sich um Comics dreht und mit dem ich dazu beitragen möchte, den Bereich der Comicforschung sichtbarere zu machen und stärker in der akademischen Landschaft zu institutionalisieren.
Ein paar weitere Projekte im Bereich der Comicforschung sind in Planung, aber dazu kann ich momentan noch nichts verraten… 😉. Und natürlich wird es auch im Rahmen meines DFG-Projektes zu „Queering Jewishness – Jewish Queerness“ in den nächsten Jahren immer wieder Veranstaltungen etc. geben, in denen es auch um Comics gehen wird.

Was machst du, wenn du nicht über Comics forschst?

Als Medienwissenschaftlerin habe ich viele meiner Hobbies (Lesen, Comics, ins Kino gehen, etc.) zu meinem Beruf machen können, was wirklich großartig ist! Außerdem reise und koche ich sehr gerne und versuche regelmäßig Sport zu treiben. Neben der Forschung pflege ich zudem meinen Twitter-Account (@vesin9) und auch auf Instagram (@veronique_sina) bin ich relativ aktiv. Seit einiger Zeit bekomme ich zudem regelmäßig Interviewanfragen (Radio, Podcasts, TV) zum Thema Gender, Medien, Diversity und auch Comicforschung ganz allgemein und ein paar Mal durfte ich auch schon gemeinsam mit Hella von Sinnen als Comic-Expertin auf dem Podium bei der Sendung „Der COMICtalk“ mit dabei sein. Das freut mich sehr, da Wissenschaftskommunikation immer bedeutender wird und ich es wichtig finde, die Inhalte meiner Forschung auch für eine breitere Öffentlichkeit aufzuarbeiten und zu präsentieren.