Zum Inhalt springen

Petition der Comicgewerkschaft 

Jetzt hier unterstützen!

Sehr geehrte Mitglieder des Bundestags, Sehr geehrte Kulturstaatsministerin Claudia Roth,

das Medium Comic ist durch die geplanten Einschnitte in der Kulturförderung in seiner Existenz als eine lebendige Kultursparte direkt bedroht. 

Dies steht in eklatantem Widerspruch zum Koalitionsvertrag der regierenden Parteien, in dem die Förderung des Comics 2021 explizit verankert wurde: „Wir wollen Kultur mit allen ermöglichen“, heißt es dort, „indem wir ihre Vielfalt und Freiheit sichern, unabhängig von Organisations- oder Ausdrucksform, von Klassik bis Comic, von Plattdeutsch bis Plattenladen.“

Die Entscheidung, die Mittel der Bundeskulturfonds um insgesamt fast die Hälfte zu kürzen, widerspricht dabei den angekündigten Bestrebungen der Ampel-Regierung, die das Medium Comic als „zu förderndes Kulturgut“ benennt und die freie Kunst als Innovationstreiber stärken will.

Neue Perspektiven in Bildung und Kultur

Comics haben in den letzten Jahren eine zunehmende Wertschätzung in der Kulturlandschaft und Sichtbarkeit in den Medien erfahren. Die Anzahl der veröffentlichten Comics und Graphic Novels ist in den letzten Jahren gestiegen, ebenso die Zahl freiberuflicher Comickünstler*innen. Die Qualität der Arbeiten hat an Profil gewonnen, und hiesige Comicproduktionen werden immer häufiger in andere Sprachen übersetzt und von internationalen Verlagen herausgegeben. Im Vergleich zu etablierten Comic-Märkten – wie im frankobelgischen Raum, wo das Medium Comic als eigenständige Kunstform längst anerkannt ist – konnte hierzulande eine starke, nachholende Entwicklung beobachtet werden.

Das Aufblühen der deutschen Comicszene zeigt sich an der Vielzahl von Projekten und Kooperationen, die Comickünstler*innen initiiert haben, um wichtige gesellschaftliche Themen aufzugreifen. Graphic Novels werden in renommierten Feuilletons besprochen, Jugendliteraturpreise wurden vielfach an Comicautor*innen vergeben, mit Anke Feuchtenberger und Birgit Weyhe wurden zwei Comiczeichnerinnen für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.

Innovativ in kultureller und politischer Bildung

Comics werden an Universitäten erforscht, haben ihren Weg in den Schulunterricht gefunden, eröffnen neue Perspektiven im Geschichts-, Deutsch- oder Fremdsprachenunterricht und sind in einigen Bundesländern bereits Teil des Lehrplans. Comics ermöglichen einen niederschwelligen Zugang zu komplexen Themen und wirken weniger hierarchisch als klassische Texte. Auch in der Wissenschaftskommunikation kooperieren viele Comickünstler*innen eng mit Universitäten, Forschungsinstituten sowie mit Ministerien, Beratungsstellen oder anderen Bildungsinstitutionen. Dabei werden relevante Themen leicht zugänglich, aber nicht trivial für ein breites Publikum aufbereitet und für die gesellschaftliche Auseinandersetzung geöffnet.

Die politische Bildung – wie zum Beispiel die bpb – nutzt Comics, um komplexe historische sowie aktuelle Sachverhalte zu veranschaulichen, und bietet in ihren Publikationen zahlreiche Sonderausgaben von deutschsprachigen Comics an. Denn Comics machen Geschichte(n) zugänglich – unabhängig von Alter, Bildungsniveau oder kulturellem und sprachlichem Hintergrund. Comics dienen gegenwärtig Bildungseinrichtungen, Kulturinstituten, NGOs, Museen und Begegnungsstätten als Brücke und wichtiger Motor für demokratische Bildung und Teilhabe. Die Comicszene beschränkt sich in Deutschland dabei keineswegs auf einige wenige Großstädte, sondern zeigt sich in ihrer ganzen Vielfalt bundesweit aktiv und leistet ihren unverzichtbaren Beitrag zu intergenerationellen Begegnungen, Leseförderung und der Vermittlung von Literatur.

Strukturelle Herausforderungen

Die aktuelle Situation stellt die Comicbranche jedoch vor massive strukturelle Probleme: Die Umsetzung eines Comicprojekts erfordert von Comickünstler*innen jahrelange unterbezahlte Arbeit – ein Großteil der Comickünstler*innen leidet unter Ressourcenknappheit und lebt bereits jetzt unterhalb des Existenzminimums. Eine aktuelle Studie zeigt, dass mehr als 50% der Comickünstler*innen für ihre Arbeit an Comicbüchern auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind. Dies unterstreicht die Bedeutung staatlicher Förderungen, wie sie andere Sparten bereits seit Jahrzehnten genießen.

Internationalität und Vielfalt

Multiple globale Krisen und die aktuelle politische Lage in Deutschland gefährden die Stabilität der Demokratie. AfD-geführte Landtage drohen bereits jetzt, die Vielfalt der Kunst und der Künstler*innen massiv zu beschneiden. Oberste Priorität der Kulturpolitik des Bundes muss daher sein, insbesondere jene Geschichten, die einen vielschichtigen Einblick zur Welt ermöglichen, bei der Veröffentlichung und Rezeption zu unterstützen. Kunst und Comic dürfen nicht nur denen offenstehen, die durch Herkunft, Klasse, Geschlecht oder Hautfarbe privilegiert sind. Es braucht eine inklusive und diverse Szene von Künstler*innen, die mit vielstimmigen Geschichten, Inhalten und Projekten eine demokratische, moderne Gesellschaft abbilden.

Die Comic- und Mangaszene in Deutschland zeichnet sich durch große Internationalität und Diversität aus: Diese Vielfalt bereichert die gesamte Kulturszene und zeigt, dass kreative Ausdrucksformen unabhängig von sozialen oder finanziellen Hintergründen gefördert werden müssen. Denn wenn Förderungen wegfallen, trifft dies zuallererst Künstler*innen, die in Verantwortlichkeiten wie Care-Arbeit, sozialen und politischen Ehrenämtern und Elternschaft abhängig sind von Planungssicherheit und existenzieller Unterstützung – und solche, die durch unsicheren Status oder Zugehörigkeit zu marginalisierten Gruppen bereits von vornherein benachteiligt sind. Gerade die Stimmen dieser Künstler*innen müssen einer ebenso vielfältigen Leser*innenschaft zugänglich sein.

Fazit:

Die Kraft von Comics ist immens. Comickünstler*innen sind in der Lage, Innovationstreiber*innen zu sein – vorausgesetzt, sie erhalten die nötigen Ressourcen. Die Akteur*innen der Comiclandschaft haben in den letzten Jahren mit Eigenverantwortung, Engagement und Innovationskraft die Branche geöffnet und zum Wachsen gebracht. Doch ihre Ressourcen, ihre Kraft und ihre Handlungsfähigkeit sind ausgeschöpft. Die geplanten Kürzungen im Bereich der Comicförderung auf Bundesebene drohen die verheißungsvollen Entwicklungen der deutschen Szene zum Stillstand zu bringen. Comickünstler*innen ohne eine funktionierende und stabile, anderen Sparten gleichrangige Kulturförderung geraten in existenzgefährdende Bedrängnis.

Es liegt an Ihnen als Mitglieder des Bundestags, dieses Potenzial zu erkennen und zu fördern, damit die vielfältigen Stimmen, die durch Comics zum Ausdruck kommen, weiterhin gehört werden und unsere Gesellschaft bereichern können.

Wir fordern daher:

  • Erhöhung des Kulturetats auf ein angemessenes Niveau: Die geplanten Kürzungen im Bereich der Bundeskulturfonds müssen rückgängig gemacht und stattdessen eine Aufstockung des Budgets für Kunst und Kultur, einschließlich des Comics, ermöglicht werden, die den Bedarf aller Sparten abdeckt.

Außerdem fordern wir:

  • Einrichtung eines spezifischen Förderprogramms des Bundes für Comics: Dies könnte in Form von Druckkostenzuschüssen, Projektstipendien und Produktionsförderungen für Comicbücher, Graphic Novels und interdisziplinäre Comicprojekte geschehen, ähnlich den Modellen in Frankreich, Belgien oder Finnland.
  • Verankerung von Comics im Schulunterricht: Comics sollten bundesweit in die Lehrpläne aufgenommen werden, insbesondere in der Oberstufe und in fächerübergreifenden Projekten (Deutsch, Geschichte, Kunst, Fremdsprachen), um ihre Bedeutung als Bildungsmedium zu stärken. Der Bund muss hierbei die diesbezüglich verantwortlichen Bundesländer komplementär unterstützen.
  • Langfristige Sicherstellung von Kulturinstitutionen und Festivals und die Förderung internationaler Vernetzung und des Austausches: Um die Kultur- und Comicszene lebendig zu halten, müssen nationale und regionale Comicfestivals, Buchmessen und weitere Veranstaltungen sowie die Teilnahme an diesen dauerhaft gefördert werden. Stipendien und Programmen müssen geschaffen werden, die es Comickünstler*innen ermöglichen, an internationalen Residenzen, Workshops und Austauschprogrammen teilzunehmen, um den internationalen Dialog zu stärken. Die Außenkulturpolitik des Auswärtigen Amtes kann in diesem Feld über den Einsatz sehr überschaubarer Mittel größtmögliche Effekte in Wahrnehmung und Rezeption der Kultur aus Deutschland erzielen.
  • Förderung und Aufenthaltsstipendien sollen besonders auf die Situation von Künstler*innen in Vereinbarkeit mit Care-Arbeit und sozialer Verantwortung zugeschnitten werden.
  • Einführung von sozialen Absicherungsmodellen für Künstler*innen: Viele Künstler*innen, darunter auch Comiczeichner*innen, leben prekär. Es sollten soziale Sicherungssysteme geschaffen werden, die ihnen eine verlässliche Einkommensbasis und Rentenansprüche gewährleisten, um Selbstausbeutung zu verhindern.
  • Schaffung von Auftragsprogrammen: Wie in der Film- und Theaterbranche sollten auch im Comic gezielt öffentliche Aufträge vergeben werden, um gesellschaftlich relevante Themen aufzuarbeiten und zugänglich zu machen.

Quellen:

Jetzt hier unterstützen!